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Neue Gesprächsrunde zwischen Evangelikalen und Vatikan
Von Claus Schwambach, Direktor der FLT. São Bento do Sul
Brasilien ist ein Land mit einer deutlichen römischkatholischen Bevölkerungsmehrheit. Das hängt an der
Kolonisation durch Portugal. Die brasilianische Geschichte und Kultur sind von Anfang an
tief von der römisch-katholischen Kultur und besonderes von der iberischen katholischen Tradition Portugals geprägt. Langsam hat sie sich auch über die Kultur der Indianer durchgesetzt. Durch die
vielen Sklaven aus Afrika (17. und 18. Jahrhundert) ist der Einfluss von Afroreligionen sehr groß. Die Missionierung der Urbevölkerung (Jesuiten) führte zur Einführung von iberischkatholisch-christlichen Formen, aber nicht so sehr eine wirkliche Bekehrung zum christlichen Glauben. Christliche Vorstellungen verschmolzen mit verbleibenden Elementen von z.T. animistischen Indianerreligionen oder Afroreligionen. Dies prägt
die "brasilianische Seele" bis heute. Im Rahmen des sog. "brasilianischen Volkskatholizismus" kam es daher nicht selten zu verschiedenen Formen von Synkretismen. Religiöse Kulte wie "Macumba" und "Umbanda" bilden z.B. eine bunte Mischung von Katholizismus und afrobrasilianischen bzw. indianischen Ritualen. Viele der in Brasilien verehrten Heiligen sind eigentlich in der Vorstellung des einfachen Volkes eine Art Mischgebilde von römisch-katholischen, christlichen und afrokultischen
Traditionen. Die Jungfrau Maria erscheint in vielen Regionen Brasiliens in Identitätsverschmelzung als "Iemanjá" (Tochter des Olodum, Gott des Meeres). Solche Dinge gehören zum brasilianischen Kontext und bilden den kulturellen und kirchlichen Rahmen, in dem sich seit dem 18. und v.a. dem 19. Jh. die evangelischen Kirchen entwickelten. Auch die Geschichte der MEUC ist eigentlich von Anfang an durch starke Auseinandersetzung mit diesem Kontext geprägt.
Da es im Verlauf der Geschichte in Brasilien - wie auch in vielen anderen Ländern - zu Spannungen zwischen evangelischen und römisch-katholischen Christen kam, trafen sich Christen vom 12. bis 17. September in Rom zu einem Austausch. Eingeladen hatte der "Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen". Ich habe am Gespräch als einer der lateinamerikanischen Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz teilgenommen.
Das Gespräch ist auf 5 Begegnungen angelegt. Dies war die 2. Begegnung. Thema war "Die Heilige Schrift und Tradition". Leiter der evangelikalen Delegation war der Direktor für Ökumenische Angelegenheiten der Weltallianz, Rolf Hille. Das Ziel all dieser Gesprächsrunden ist es, am Ende zu einem Statement zu kommen, das das gemeinsame Zeugnis ermöglicht, das Zusammenleben evangelischer und katholischer Christen erleichtert und auch bestehende Spannungen in verschiedenen Ländern ansprechen und wenn möglich minimieren soll.
Zwei Dinge sind mir in dieser
Gesprächsrunde aufgefallen:
a) Man findet seit dem 2.
Vatikanischen Konzil (1963-65)
viele Aussagen des römischkatholischen Lehramtes, die an
der Inspiration und Verlässlichkeit der Heiligen Schrift festhalten. In dieser Hinsicht sah
sich die evangelikale Seite
bestärkt in ihrem Bestehen auf
eine bibeltreue Theologie.
b) Nach wie vor bleibt kontrovers, wie die Katholische Kirche
der kirchlichen Tradition und der
mündlichen Überlieferung die
zentrale Rolle einräumt. Letzteres ist auch in Brasilien ein
schwieriges Thema, zumal dort
Heiligen- und Marienverehrung
wichtige Aspekte der Frömmigkeit des sog. Volkskatholizismus darstellen.
Für mich persönlich bringt die
Teilnahme an solchen Gesprächen einen tieferen Einblick in
die Herausforderungen des Zusammenlebens christlicher Kirchen weltweit mit sich. Man lernt
Geschichte besser zu verstehen,
andere konfessionelle Standpunkte tiefer zu begreifen und
eigene Positionen in pointierter
Form zu erklären. Vor allem lernt
man wie wichtig es ist, immer
wieder erneut auf die Stimme der
Schrift zu hören und von ihr aus
im Kreis einer weltweiten christlichen und kirchlichen Gemeinschaft nach dem Willen Gottes
für uns heute zu fragen.
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