Ausgabe 3/2010
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Editorial
Der Herr ist treu!
Ideen
Offene Tür
Ein Geschenk Gottes
Drogenarbeit
Fußball
Kurz notiert
Gebetsanliegen
 

Im Land des Fußballs

Erlebnisse einer Freiwilligen
Von Nadine Höfele, z.Zt. Blumenau

Nadine Höfele lebt seit fast einem Jahr freiwillig in Blumenau, um dort in der Kindertagesstätte BOM AMIGO mitzuhelfen. Sie erlebt nicht nur in der Familie Schlemper – bei der sie lebt – wie begeistert Brasilianer für Fußball sind, sondern auch im alltäglichen Arbeitsablauf. Ein paar Auszüge aus ihrem Rundbrief ...


Die Kinder von Bom Amigo gestalten
ihr Haus für die Weltmeisterschaft

"Acopa do mundo é nossa!" hallt es von Brasiliens Straßen wieder. Diese euphorischen Ausrufe, dass der Pokal der Weltmeisterschaft ihnen gehört, lassen keine Zweifel zu - die WM hat begonnen, auch in Brasilien, dem Land des Fußballs.
Auch in BOM AMIGO wehen brasilianische Flaggen im Wind und zieren mit gelben, grünen und blauen Luftballons die Wände. Neben dem Speiseplan am Küchenschrank hängt die Spieltabelle der WM und auch die Kinder basteln voller Eifer, um ihre Klassenzimmer schmücken zu können. Selbst meine Kleinen habe ich an den Fußball verloren; malten sie bisher ihre Bilder für mich, so widmen sie sie jetzt ihren Nationalspielern. Kaká (ein brasilianischer Superstar) würde sich sicher über stapelweise Strichlandschaften meiner 2-Jährigen freuen.
Doch das gleichzeitig Beeindruckendste und Unbegreifliche an dieser Euphorie ist in den Favelas, den Siedlungen der Armen, zu finden.
Zwischen vermoderten Klamotten auf improvisierten Wäscheleinen wehen Flaggen im Wind, ebenso sind diese an den Wellblech- und Pappwänden der Hütten zu finden. Aus den Seitenstraßen schallt rhythmisch Fußballtrommeln. Straßenkinder springen und tanzen durch die Straßen und vertreiben sich die Zeit mit Fußball spielen. Der Ball ist ebenso improvisiert, wie das Spielfeld und die Tore, aber diese Tatsache mindert ihren Spaß am Spiel keineswegs.
Läuft man durch die Straßen, ist eines ganz deutlich zu erkennen: der Stolz auf ihr Land steht den Brasilianern ins Gesicht geschrieben; darüber dass sie Weltmeister werden, gibt es keine Diskussionen. Der Brasilianer ist Patriot und das mit Leib und Seele.
Nun stell ich mir die Frage, wieso eigentlich? Klar, aus der Leidenschaft zum Sport holen sogar wir Deutschen unsere Flaggen aus dem Keller, aber im Fußball gipfelt die Liebe der Brasilianer zu ihrem Land. Ich frage mich, was diese Menschen dazu bewegt, so viel Stolz zu empfinden für ein Land, das so zerrissen ist durch die Unterschiede zwischen arm und reich. Es ist für mich unglaublich, dass jemand, der nichts, gar nichts besitzt, trotzdem Begeisterung und Stolz für sein Land empfinden kann. Ein Obdachloser, der mir eines Abends über den Weg lief, verkündete mit seinem zahnlosen Lächeln "Deus é brasiliero!" "Gott ist Brasilianer." Ich schaue dem Mann nach und frage mich, was ihn dazu bringt, solch eine Aussage in die Nacht zu schreien.
Sein ganzes Hab und Gut scheint er in einer Plastiktüte mit sich herumzutragen. Okay, wahrscheinlich hat der Alkohol seine Gedanken ein bisschen vernebelt, aber er ist einfach stolz, Brasilianer zu sein. Wenn ich mich an all die wunderschönen Dinge, die ich hier gesehen habe erinnere, würde ich bei dieser Aussage, dass Gott Brasilianer sei, zustimmend schmunzeln, denn die Landschaft und die Natur scheinen wirklich ganz besonders herausragend schön zu sein. Doch beim Anblick des Obdachlosen scheinen diese Erinnerungen zu verblassen.
Vielleicht liegt dies an der brasilianischen Volksweisheit "Wenn das so ist, dann soll das auch so sein!" Man passt sich an das an, was das Leben so bringt. Niemals, so meine ich, würde es in Brasilien zu einer Revolution kommen! Daher scheinen sich die Menschen in den Favelas einfach mit ihrem Leben abgefunden zu haben. Was für mich als im höchsten Maße ungerecht erscheint, sehen die Brasilianer einfach als nicht änderbare Tatsache an. In meiner Zeit hier in Brasilien durfte ich immer wieder erleben, dass den Brasilianern so schnell keiner was anhaben kann. Über die kleinen und größeren Katastrophen des Alltages können die Menschen hier lächeln.
...


Fußballbegeisterung in Brasilien:
"Wir fiebern mit Euch"

Obwohl meine Tage hier gezählt sind, will ich an Abschied noch gar nicht denken! Es fällt mir sehr schwer, die zahlreichen Angebote einfach hier zu bleiben, nicht anzunehmen. Es gibt hier so viele Dinge, die mir den Abschied sehr schwer machen werden, aber vor allem die Freundschaften, die entstanden sind, die Menschen, die man lieb gewonnen und zu schätzen begonnen hat, machen es mir so schwer, mich auf Deutschland zu freuen.
Erster Abschiedsschmerz bahnte sich schon einen Weg durch meine Tränendrüsen. Hauptsächlich von meinen Kindern hervorgerufen, die mir schon angeboten hatten, dass ich bei ihnen im Zimmer schlafen könne, wenn ich hier bleibe. Und Aussagen meiner kleinen Lieblinge wie "Ich lass dich nicht gehen!" machen mir die Vorbereitung auf den Abschied auch nicht leichter. Aber ich versuche hier die letzte Zeit in vollen Zügen zu genießen und noch einmal alles mitzunehmen, was ich an Erfahrungen, Erinnerungen und Gesprächen mitnehmen kann.

 

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Last modified: Thu Feb 23 00:00:00 CET 2010