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Im Land des Fußballs
Erlebnisse einer Freiwilligen
Von Nadine Höfele, z.Zt. Blumenau
Nadine Höfele lebt seit fast einem Jahr freiwillig in Blumenau, um dort in der
Kindertagesstätte BOM AMIGO mitzuhelfen. Sie erlebt nicht nur in der Familie
Schlemper – bei der sie lebt – wie begeistert Brasilianer für Fußball sind, sondern
auch im alltäglichen Arbeitsablauf. Ein paar Auszüge aus ihrem Rundbrief ...
Die Kinder von Bom Amigo gestalten
ihr Haus für die Weltmeisterschaft
"Acopa do mundo é nossa!" hallt es
von Brasiliens Straßen wieder.
Diese euphorischen Ausrufe, dass
der Pokal der Weltmeisterschaft ihnen
gehört, lassen keine Zweifel zu - die WM
hat begonnen, auch in Brasilien, dem Land
des Fußballs.
Auch in BOM AMIGO wehen brasilianische
Flaggen im Wind und zieren mit gelben,
grünen und blauen Luftballons die
Wände. Neben dem Speiseplan am Küchenschrank
hängt die Spieltabelle der WM und
auch die Kinder basteln voller Eifer, um ihre
Klassenzimmer schmücken zu können.
Selbst meine Kleinen habe ich an den
Fußball verloren; malten sie bisher ihre
Bilder für mich, so widmen sie sie jetzt
ihren Nationalspielern. Kaká (ein brasilianischer
Superstar) würde sich sicher über
stapelweise Strichlandschaften meiner 2-Jährigen freuen.
Doch das gleichzeitig Beeindruckendste
und Unbegreifliche an dieser Euphorie ist
in den Favelas, den Siedlungen der Armen,
zu finden.
Zwischen vermoderten Klamotten auf improvisierten
Wäscheleinen wehen Flaggen
im Wind, ebenso sind diese an den Wellblech-
und Pappwänden der Hütten zu
finden. Aus den Seitenstraßen schallt
rhythmisch Fußballtrommeln. Straßenkinder
springen und tanzen durch die
Straßen und vertreiben sich die Zeit mit
Fußball spielen. Der Ball ist ebenso improvisiert,
wie das Spielfeld und die Tore, aber
diese Tatsache mindert ihren Spaß am Spiel
keineswegs.
Läuft man durch die Straßen, ist eines ganz
deutlich zu erkennen: der Stolz auf ihr
Land steht den Brasilianern ins Gesicht
geschrieben; darüber dass sie Weltmeister
werden, gibt es keine Diskussionen.
Der Brasilianer ist Patriot und das mit Leib
und Seele.
Nun stell ich mir die Frage, wieso eigentlich? Klar, aus der Leidenschaft zum Sport holen sogar wir Deutschen unsere
Flaggen aus dem Keller, aber im Fußball gipfelt die Liebe der Brasilianer zu ihrem Land.
Ich frage mich, was diese Menschen dazu
bewegt, so viel Stolz zu empfinden für ein
Land, das so zerrissen ist durch die Unterschiede
zwischen arm und reich. Es ist für
mich unglaublich, dass jemand, der nichts,
gar nichts besitzt, trotzdem Begeisterung
und Stolz für sein Land empfinden kann.
Ein Obdachloser, der mir eines Abends
über den Weg lief, verkündete mit seinem
zahnlosen Lächeln "Deus é brasiliero!"
"Gott ist Brasilianer." Ich schaue dem
Mann nach und frage mich, was ihn dazu
bringt, solch eine Aussage in die Nacht zu
schreien.
Sein ganzes Hab und Gut scheint er in einer
Plastiktüte mit sich herumzutragen.
Okay, wahrscheinlich hat der Alkohol seine
Gedanken ein bisschen vernebelt, aber er
ist einfach stolz, Brasilianer zu sein.
Wenn ich mich an all die wunderschönen
Dinge, die ich hier gesehen habe erinnere,
würde ich bei dieser Aussage, dass Gott
Brasilianer sei, zustimmend schmunzeln,
denn die Landschaft und die Natur
scheinen wirklich ganz besonders herausragend
schön zu sein. Doch beim Anblick
des Obdachlosen scheinen diese Erinnerungen
zu verblassen.
Vielleicht liegt dies an der brasilianischen
Volksweisheit "Wenn das so ist, dann soll
das auch so sein!" Man passt sich an das an,
was das Leben so bringt. Niemals, so
meine ich, würde es in Brasilien zu einer
Revolution kommen! Daher scheinen sich
die Menschen in den Favelas einfach mit
ihrem Leben abgefunden zu haben. Was
für mich als im höchsten Maße ungerecht
erscheint, sehen die Brasilianer einfach als
nicht änderbare Tatsache an.
In meiner Zeit hier in Brasilien durfte ich
immer wieder erleben, dass den Brasilianern
so schnell keiner was anhaben kann.
Über die kleinen und größeren Katastrophen
des Alltages können die Menschen
hier lächeln. ...
Fußballbegeisterung in Brasilien:
"Wir fiebern mit Euch"
Obwohl meine Tage hier gezählt sind, will
ich an Abschied noch gar nicht denken! Es
fällt mir sehr schwer, die zahlreichen Angebote
einfach hier zu bleiben, nicht
anzunehmen. Es gibt hier so viele Dinge,
die mir den Abschied sehr schwer machen
werden, aber vor allem die Freundschaften,
die entstanden sind, die Menschen, die
man lieb gewonnen und zu schätzen begonnen
hat, machen es mir so schwer,
mich auf Deutschland zu freuen.
Erster Abschiedsschmerz bahnte sich
schon einen Weg durch meine Tränendrüsen.
Hauptsächlich von meinen
Kindern hervorgerufen, die mir schon
angeboten hatten, dass ich bei ihnen im
Zimmer schlafen könne, wenn ich hier
bleibe. Und Aussagen meiner kleinen
Lieblinge wie "Ich lass dich nicht gehen!"
machen mir die Vorbereitung auf den Abschied
auch nicht leichter. Aber ich versuche
hier die letzte Zeit in vollen Zügen
zu genießen und noch einmal alles
mitzunehmen, was ich an Erfahrungen,
Erinnerungen und Gesprächen mitnehmen
kann.
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