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Der Fußball und wir. Gedanken eines RückkehrersVon Dr. Vitor Hugo SchellFünf Jahre sind eine ziemlich lange Zeit, die, wie vieles im Leben, doch so schnell verging. Zweimal durften wir in dieser Zeit auf Einladung unserer Eltern unsere Heimat besuchen. Jedesmal, wenn wir gefragt wurden, ob wir schon ››Deutsche geworden wären‹‹, antworteten wir stets mit ››Nein‹‹. Uns war immer klar, dass wir Brasilianer sind und auch immer Brasilianer bleiben werden! Heimat ist und bleibt für immer Heimat! Innerlich wurde uns aber sehr schnell klar, dass wir unsere Heimat schon anders betrachteten als zuvor! Keine Frage ist, dass wir uns in den vergangenen fünf Jahren doch etwas verändert haben! Uns ist allerdings deutlich geworden, wie positiv und bereichernd es ist, unsere kleine Welt von damals, seien es Freundschaften, familiäre oder gemeinschaftliche Beziehungen oder die Verhältnisse in unserer Gemeinde und in unserer Stadt einmal aus anderer Perspektive, nämlich von weit draußen und damit neu zu betrachten. Nun sind wir seit drei Monaten zurück in der Heimat – doch manchmal haben wir noch das Gefühl, bald wieder nach São Paulo, von dort nach Frankfurt und dann vom Flughafen-Fernbahnhof wieder nach Jena fahren zu müssen. Wären nicht die Sanierungsmaßnahmen an und in unserem neuen Zuhause auf dem Campus in Mato Preto und die große Menge an Arbeit an der FLT, die mich wirklich unheimlich begeistert, würden wir sagen, dass wir diese Zeit manchmal so empfinden, als ob wir in Brasilien eine Art Praktikum machen und danach wieder nach Jena zurückkehren würden. Und so stellt sich uns oftmals dann, wenn wir hier von positiven oder negativen Veränderungen überrascht werden, die Frage, ob in den letzten fünf Jah ren nur wir selbst uns verändert haben oder auch unsere Heimat anders geworden ist. In diesem Jahr haben wir wieder Wahlkampf. Unsere Präsidentin, Frau Roussef, wird für eine weitere Amtsperiode von vier Jahren kandidieren. Im Jahre 2008, als wir nach Deutschland aufbrachen, war noch Lula im Amt. Nun sind wir positiv überrascht, dass in den Nachrichten immer wieder berichtet wird, dass Politiker, die wegen Korruption verurteilt worden sind, tatsächlich ins Gefängnis wandern. Was für eine gute Nachricht! Das sind hoffnungsvolle Zeichen für eine bessere Entwicklung unseres Landes. Die Jugend protestiert und rebelliert. Mehr junge Menschen kommen an die Universitäten und sind wahrscheinlich deshalb kritischer geworden! Von den ersten Protesten im Land hatten wir schon in Deutschland gehört. Auch wenn die Proteste vorerst weniger geworden sind oder aufgehört haben, werden wahrscheinlich immer wieder neue beginnen. Denn Schul- und Gesundheitssystem sind vor allem in den Großstädten unzureichend und schlecht.
Und an dieser Art zu ››planen‹‹ wird sich bei uns wohl so schnell nichts ändern, auch wenn man jetzt lauthals verspricht: ››Bis Juli wird alles anders!‹‹ Denn im Juli beginnt die WM! Doch nur im Traum wäre es möglich, bis Juli all das zu verändern, was verändert werden müsste. Irgendwie wird es aber doch gehen! Denn das ist das Faszinierende am ››jeitinho brasileiro‹‹, die Lebensfreude, der Enthusiasmus und die Leichtigkeit unserer Menschen hier! Ihr dürft mir glauben, dass abgesehen von der Korruption und anderer Faktoren, welche die WM momentan fragwürdig erscheinen lassen, die Menschen hier im Lande ihr Bestes geben werden, damit die WM ein schönes Fest wird! Und das nicht den internationalen Fußballorganisationen oder den Politikern zuliebe, sondern wegen ihrer eigenen Wertschätzung und ihres Stolzes!! Korruption und andere Probleme werden noch länger bestehen! Doch es gibt Dinge, die sich nicht unterdrücken lassen! Das sind Prägungen und Eigenschaften, die tief in den Men schen verwurzelt sind! Eine Werbung im Fernsehen propagiert: ››Der Fußball kommt in die Heimat zurück! Er kommt nicht in das Land, in dem er geboren wurde, aber doch in das Land, wo er sich zu Hause fühlt!‹‹ ››Mr. Fußball‹‹ wird hier in Brasilien bestimmt das finden, was Rebeca und ich auch hier fanden – wieder zurück in der Heimat zu sein!
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